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Tomatensaft im Oriental

Ich stelle mir britische Bornierte im Tropenhelm vor, die auf der Terrasse unter wabernden Ventilatoren ihren 5 o'clock tea trinken und sich über die schwierige wirtschaftliche Situation irgendeines Landes austauschen.

Endlich habe ich den Eingang des Hotels erreicht - nach dem Spießrutenlauf zwischen den Tuk-Tuk Fahrern hindurch, die bereit sind, jeden umsonst in die entgegengesetzte Richtung zum Juwelierladen ihres Onkels zu fahren. Vor der Auffahrt steht ein Sicherheitsmensch mit Knopf im Ohr. Er lächelt mich an und deutet auf ein Schild, auf dem ein Rucksack, ein Paar Sandalen und kurze Hosen durchgestrichen sind. Ok - ich komme wieder.

Einige Tage später.
Den ganzen Tag laufe ich in dieser Hitze in Halbschuhen herum; neurotisch stopfe ich mir kurz vor dem Eingang das Hemd in die Hose. Das Lächeln des Sicherheitsmenschen kennt keine Grenzen mehr, als ich zielstrebig und erhobenen Hauptes zum Eingang gehe, wo mir die Tür aufgehalten wird. Ich will ja nur eine halbe Stunde Luxus - einmal bei Sonnenuntergang auf der Terrasse sitzen und zusehen, wie David Bowie in den Pool springt.
Nach reiflicher Überlegung entscheide ich mich für einen Tomatensaft für 5 Euro.

Am Nachbartisch sitzen drei Chilenen - offensichtlich Gäste - man gibt sich leger und ignoriert geübt das unterwürfige Personal, das herbeischwirrt, um dem erlesenen Gast den Cigarillo anzuzünden.
Ich stelle mir vor, wie einer den ganzen Tag herumläuft und und den Gästen Feuer gibt für Zigarren, von denen jede einzelne mehr kostet, als er am Tag verdient.

Ein völlig verschwitzter Tourist mit T-Shirt, Shorts, Sandalen und Kopfhörer hat sich doch irgendwie in den Poolbereich geschmuggelt. Man informiert ihn freundlichst darüber, wo der nächste Ausgang zu finden ist. Kontrollierter Raum.
Einer der Chilenen am Nachbartisch wird darauf aufmerksam gemacht, daß nach sechs Uhr selbst die Gäste keine shorts mehr auf der Terrasse tragen dürfen (no shorts after six). Er deutet auf seine Uhr und sagt "it's ten to six" und unterhält sich noch ein Weilchen bevor er mißmutig auf sein Zimmer verschwindet.

Weiter unten direkt am Fluss sitzt ein Europäer mit einer Thai-Frau und diniert. Sie sieht aus, wie eine, die an diesem Abend das große Los gezogen hat. Eine Unterhaltung ist nicht zu beobachten - aber was verbindet mehr als ein romantisches Essen bei Sonnenuntergang im Oriental?

Einen Tisch weiter finden sich zwischen 17:55 Uhr und 18:05 Uhr 2 Deutsche Mittvierziger Pärchen ein. Sie haben sich dort offenbar nach dem Einkauf verabredet. Die Männer sind mit bunten Plastiktüten beladen, die Frauen tragen Perlenketten und freuen sich über das makellose Deutsch der Platzanweiserin. Man bestellt exotische Cocktails und zum Abschied wird noch ein Gruppenfoto gemacht.

Etwas entfernt sitzt eine Frau, die sich mit einem Stadtplan ihrer gegenwärtigen Position vergewissert. Mein Tomatensaft nähert sich dem Ende. Schnell noch ein paar getrocknete Ananas und dann geht's weiter. Die Sonne lächelt jetzt mild-orange von der anderen Seite des Flusses herüber. Sämtliche Sonnenschirme sind abgebaut - man rüstet sich für das Abendbüfett. Einer Gruppe von 20 Kellnern wird noch einmal eingeschärft, was sich gehört und was nicht. Für die Billig-Touristen wird es Zeit zu gehen - und die Sicherheitsmenschen werden etwas unruhig, weil gleich die VIPs aus ihren Suiten kommen.
Auf dem Weg zum Ausgang erheische ich noch einen Blick auf das Büfett - zwei große Fische aus Eis schmelzen eifrig. Das Boot bringt zwei Japaner und mich zur nahegelegenen Station des Sky Train, wo schon die Nächsten warten, die es sich nicht leisten können.

Ich steige aus wie ein König.